Hallo Jürgen,
natürlich bin ich vom Fach, das heißt aber nicht zwangsläufig, dass ich dir weiterhelfen kann.
Ich stimme dir absolut zu, dass es viele Patienten gibt, die mit allen Mitteln versuchen ihre Behinderung zu verstecken oder zu kaschieren und dass das selbst mit den besten Prothesen oft nur semigut gelingt, weil diese bis heute weder funktionell noch kosmetisch zu 100% das fehlende Körperteil ersetzen können. Aber wie Tommi schon sagt, kann genau das Gegenteil ebenso die Akzeptanz von Hilfsmitteln und Behinderungen in der Gesellschaft öffnen.
Ich habe einige Kunden, die sagen, dass sie ihre Prothese/Orthese möglichst extravagant und auffällig sein soll, weil sie sowieso in manchen Situationen auffällt und sie besonders Fragen, doofen Blicken etc schon im Vorfeld entgegentreten möchten...
Ich verstehe schon was du meinst und dieses Offensive ist nicht jedermanns-Sache, aber ich denke auch, dass es einfach Geschmackssache ist wie offen jemand mit seiner Amputation oder Behinderung umgeht. Dieser Kunde wollte ganz explizit eine Blink-Prothese haben und ist sehr glücklich damit
Die Funktionalität der Prothese ist keineswegs beeinträchtigt durch die "Illumination" (wie du es so schön gesagt hast), die man übrigens im Alltag natürlich aus ausstellen kann und dann eine schwarze Carbonoptik hat. Das komplette Hartschalencover ist für Reparaturen, Wartungen, Änderungen sogar abnehmbar, auch für den Kunden. Durch einfaches Lösen und Einsetzen zweier Schrauben kann er jederzeit zwischen unverkleideter (leichterer) und LED-Cover-Prothese tauschen, wenn er möchte. Die gesamte Versorgung habe ich selbstverständlich nach etlichen Anproben und Evaluierung der Schaftform erst durchgeführt. Das heisst: Der Schaft passt und mein Kunde ist schmerz- und druckstellenfrei. Dann erst haben wir zusammen das Konzept der Kosmetik entwickelt.
Ich kenne deinen Krankheitsverlauf, Amputationsgrund, Amputationshöhe, etc nicht, aber scheinbar bist du nicht zufrieden mit deiner Versorgung. Dass es immer wieder mal zu Druckstellen und Reizungen kommen kann ist klar und brauche ich dir nicht zu erzählen. Wie Timmi auch schon erklärt hat, sind diese Weichteile und der kleinere Knochenquerschnitt in erster nicht für die Belastungsaufnahme gedacht gewesen, also MUSS die Last umverteilt werden und das bedeutet selbstverständlich auch eine Mehrbelastung an anderen Stellen. Manchmal hilft auch ein Technikerwechsel, sogar schon innerhalb der Firma, von der du versorgt wirst, eine zweite Meinung könnte vielleicht schon helfen deine Schmerzen andersweitig zu behandeln?
Es gibt mittlerweile ultraleichte Teile, mit denen es möglich ist eine Unterschenkelprothese (von mittlerem Volumen) unter 1100 Gramm herzustellen, dein eigenes Bein wiegt normalerweise weitaus mehr und es ist auch nicht unbedingt für jede Situation sinnvoll noch leichter und noch leichter zu bauen...Dein Körper braucht einen halbwegs symmetrischen Gewichtsausgleich, damit sich keine muskulären Spätfolgen daraus bilden.
Für die industrielle Fertigung von Adaptern bin weder ich noch meine Kunden zuständig, weswegen ich nicht verstehe, warum ich das Geld von meinem Kundenauftrag in die Forschung stecken sollte. Große Zulieferer wie Otto Bock, Össur, medi, freedom etc. stellen diese her und forschen immer weiter und sehr innovativ nach patientenorientierten Lösungen hinsichtlich Gewichtsreduktion und Carbonfüßen oder sogar mikroprozessorgesteuerten Fußpassteilen. Hast du schon vom Propriofuß gehört? Gewicht ist zwar hoch, aber als Träger merkst du das Gewicht durch die energieeffiziente kompensatorische Elektronik nicht. Aber hey, das ist nicht mein Job, ich baue leidenschaftlich Arme und Beine und bin keine Ingenieurin bei einem dieser Zulieferer
Ich hoffe ich konnte dir ein bisschen helfen und wünsche dir noch eine schöne Woche.
Liebe Grüße, Leonie